SROMP Grundlagen

Was ist SROMP?

SROMP steht für "Soft Range of Motion Practice". Den Namen für diese Praxis habe ich erstmals bei den Grundlagen Workouts benutzt. Er ist aus der freien Übersetzung von "Sanftes beleben der Bewegungsfreiheit" ins Englische entstanden. Da man daraus ein eingängiges Akronym bilden kann, bin ich dann bei der englischen Variante geblieben.

Bei SROMP geht es darum, den Bewegungsspielraum der Gelenke zu erforschen und diesen zu beleben. Wir machen den Bewegungsspielraum verfügbar. Zum einen passiert das physisch, denn wir Bewegen das Gewebe und halten es so beweglich (Use it or Lose it, wir kommen in den Prinzipien dazu). Zum anderen machen wir den Bewegungsspielraum koordinativ verfügbar.

SROMP ist also physisch und kognitiv.

Es geht um Gesundheit und es geht um Bewegungsfreiheit.

Auf der physiologischen Ebene wissen wir, dass die passiven Gelenkstrukturen nur durch Bewegung wirklich genährt werden. Sie funktionieren wie ein Schwamm. Durch Bewegung werden Stoffe ab- und antransportiert. Entsprechend ist Inaktivität für unsere Gelenke katastrophal. Zum einen findet dadurch kein ordentlicher Stoffwechsel in den Gelenken mehr statt und zum anderen passt sich unser Körper an die Inaktivität an. Gelenke verknöchern und werden weniger beweglich. Schmerzen treten auf.

Die architektonische und gesellschaftliche Struktur in den westlichen Ländern der Welt erzeugt dort eine hohe Bewegungsarmut.
Das gilt natürlich vor alle dem für Menschen, die am Schreibtisch arbeiten. Aber auch Handwerker und Bauarbeiter leiden. Denn sie wiederholen oft die gleichen Bewegungen oder überlasten sich. Es fehlt der Bewegungsausgleich. Die strukturelle Balance. Der Wechsel zwischen sanften und harten Bewegungen.
Körperlich aktiv zu sein ist nicht äquivalent mit der Nutzung unseres vollen Bewegungsspielraums.

Für mehr Information zum Thema Bewegungsvielfalt siehe auch meinen Artikel zu dem Thema, welchen ich am Ende dieses Artikels verlinke.

Beim SROMP geht es also darum, unseren Bewegungsspielraum auch wirklich zu nutzen und dadurch unsere Gelenke und die dort ansetzenden Strukturen gesund zu halten.

"SROMP ist sehr heilend" höre ich immer wieder von den Ausführenden.

Aber SROMP arbeitet, wie schon angedeutet, nicht nur auf der physischen Ebene.
Denn beim SROMP geht es auch darum, neue Bewegungen zu lernen. Durch die SROMP-Stufen werden diese progressiv koordinativ schwieriger.

SROMP erzeugt einen Grundwortschatz und grundlegende Grammatik der Bewegung. Mit dieser Grundausrüstung fällt es leichter, komplexere und intensivere Bewegungen zu lernen.

Im Feld der Neuro-Athletik, wo die Betrachtungsweise von der Funktionsweise des Gehirns ausgeht, werden interessanterweise unter anderem die gleichen Übungen wie in unserem SROMP verwendet.

Für SROMP nutzen wir eine Struktur, die die Bewegungen koordinativ strukturiert.
Dafür teilen wir die Bewegungen in verschieden Bewegungsebenen und geometrische Formen ein.
Diese sind Punkte, Linien, Gerade, Krumme, Kreise, Achten, Wellen.
Diese finden im drei dimensionalen Raum statt, welchen wir in die drei Bewegungsebenen Transversal, Sagittal und Koronal (Frontal) einteilen.

Human anatomy Koerperebenen.svg
Human_anatomy_planes-HR.svg: *Human_anatomy_planes.svg: YassineMrabet This W3C-unspecified vector image was created with Inkscape., CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Es entstehen gleitende, rotierende und neigende Bewegungen.

Koordinativ absolut grundlegend im SROMP ist die Entscheidung darüber, was sich bewegt und was sich nicht bewegt.
Diese Entscheidungsfähigkeit erzeugt eine große Bewegungsfreiheit, da wir so immer wieder neue Konfigurationen, ergo Bewegungen, erzeugen können.

Wichtig für die Entscheidung darüber, was sich bewegt und was sich nicht bewegt, ist das Verständnis des Prinzips der offenen und geschlossenen Ketten. Dieses Prinzip ist dauerpräsent in unseren SROMP Plänen und durch OKC (Open Kinetic Chain - Offene Kette) und CKC (Closed Kinetik Chain - Geschlossene Kette) gekennzeichnet.

Weiterhin ist SROMP eine Einladung zur Erhöhung der Bewegungsvielfalt im Leben. Die Ausführenden lernen über die SROMP Level hunderte Basis-Bewegungen. Der eigentliche Clou ist aber die Idee der Mikrovariationen. Diese Idee findet sich bei uns nicht nur im SROMP wieder, sondern ebenso beim Dehnen, beim Krafttraining, beim Koordinationstraining etc.

Das Prinzip ist:
Wenn du die Basis-Bewegung verstanden hast, suche nach Mikrovariationen.
Das Grundprinzip der Bewegung bleibt gleich, aber alles andere kannst du verändern.

Denkhilfen sind:
Verschiedene Positionen im Raum und in den Gelenken.
Verschiedene Geschwindigkeiten, Spannungen und Amplituden. Verschiedene Einstellung von Bewegung und Stillstand (was bewegt sich, was bewegt sich nicht).

SROMP ist also heilend und freiheitsschaffend. Denn durch die Praxis erlerne ich Grundlagen der "Bewegungssprache" (einen Teil der Grundlagen, nicht den einzigen Teil).

Wofür steht das "Soft", das Sanfte, im SROMP? SROMP kann anstrengend werden. Muskulär und koordinativ. Aber die Verletzungsgefahr bei SROMP ist sehr niedrig. Die Übungen sind so gewählt, dass nur wenig Druck auf die Gelenke wirkt. Entsprechend ist es relativ schwierig, zu viel SROMP zu machen.

SROMP ist zwar schwierig, denn um die Bewegungen gut anzuführen, muss man sich konzentrieren, man muss im Jetzt sein. Aber gleichzeitig wirkt wenig Druck auf den Gelenken.

Deshalb ist SROMP eine Praxis, die von 18-Jährigen genau so wie von 80-Jährigen ausgeführt werden kann.
Ausführende aller Altersklassen berichten uns von dem heilenden Effekt von SROMP und dem Verständnis, welches es für Bewegung generiert.
SROMP ist ein entsprechend wichtiger Teil unseres physischen Trainings und besonders in unserem Grundlagentraining präsent.

Grundlegende Bewegungsprinzipien:

Das Prinzip „Use it or lose it“ („Benutzen heißt Behalten“):
Benutzen heißt Behalten bedeutet auch, dass wir das Verlieren, was wir nicht benutzen. Wenn wir uns nicht bewegen, passen wir uns an: Wir werden Menschen, die sich nicht bewegen. Wir als Lebewesen sind sehr anpassungsfähig. Das ist wunderbar, schafft aber auch eben oben genanntes Problem. Viele unserer Schmerzen basieren auf einem Mangel an Bewegungsdiversität. Unser Bewegungsumfang ist zu eintönig. Entsprechend sind die Pläne hier so aufgebaut, dass sie viele verschiedene Bewegungen beinhalten. Ein wichtiger Faktor für den Erhalt der Gesundheit. Wer gesund bleiben will, der muss sich bewegen. Da führt kein Weg dran vorbei.

Das Prinzip „Die Dosis macht das Gift“:
Viele Menschen haben gehört, dass bestimmte Bewegungen ungesund sind und nicht ausgeführt werden sollten. Wir sind anderer Meinung. Die Stigmatisierung von Bewegungen als ungesund ist eine grobe Vereinfachung der komplexen Wirklichkeit: Per se ist keine Bewegung schlecht, jedoch ist eine zum entsprechenden Zeitpunkt zu hohe Dosis schlecht. Dabei muss hinzugefügt werden: Genau so ist eine zu niedrige Dosis oft problematisch. Genau wie in der Ernährung kommt es darauf an, richtig zu dosieren. Wir brauchen Mineralstoffe, wenn sie unterdosiert sind, ist das problematisch, wenn sie überdosiert sind aber genau so. Es gilt also die Balance zu finden. Nehmen wir als Beispiel das Beugen der Knie unter 90°. Dies ist in vielen konventionellen Fitnessstudios verpönt, es gilt als gefährlich. Das Problem ist aber ebenso, dass die Knie der Menschen immer steifer werden, wenn sie nie unter 90° gehen. Das sorgt für Schmerzen und für schwache Knie, die verletzungsanfälliger sind. Viele Menschen haben jedoch viele Jahre kaum etwas in der tiefen Kniebeuge gemacht und müssen behutsam dorthin zurückgeführt werden. Use it or lose it. Der Stuhl ist hier der große Mobilitätszerstörer. In Kulturräumen, wo die tiefe Kniebeuge Teil des Alltags ist (besonders asiatische und afrikanische Kulturen) erhalten sich viel mehr Menschen eine, aus unserer Sicht, gute Beinmobilität, die aber dort völlig normal ist. Die Dosis macht das Gift. Die Dosis macht die Heilung.

Das Prinzip der Entscheidung über Bewegung und Stillstand:
Jedes Mal, wenn wir uns bewegen, treffen wir Entscheidungen darüber, was sich eigentlich bewegt und wie. Ich tippe diese Zeilen am Computer und entscheide, welche Finger ich bewege und welche nicht, um Wörter und Sätze schreiben zu können. Wenn ich also bestimmte Bewegungen ausführen will, muss ich die Fähigkeit haben, Entscheidungen zu treffen. Man schaue sich eine solch komplexe Bewegung wie das Speerwerfen in der Leichtathletik an, bei dem der Speer während des Anlaufs erst unbeweglich über Kopf gehalten wird, um dann im richtigen Moment in Position gebracht und geworfen zu werden. Auch beim normalen Laufen treffen wir Entscheidungen darüber, was sich bewegt und was nicht: Wenn wir nach vorne laufen, ist der Kopf normalerweise in einer Position verharrend, während die Brust darunter nach rechts und links rotiert. Entscheidungen über bewegliche und still stehende Teile treffen wir in jeder gezielten Bewegung. Dabei kann sich blitzschnell verändern, was sich bewegt und was nicht: Man denke an einen Klavierspieler, welcher konstant verändert, welche Finger er bewegt und ob das Handgelenk am Ort verharrt oder zu anderen Tasten geführt wird. Das Element „Zeit” ist hier von großer Wichtigkeit.
Prinzip: Gezielte Bewegung setzt voraus, dass ich Entscheidungen darüber treffen kann, was sich bewegt und was still steht.
Unter-Prinzip: Komplexe Bewegungen setzen es weiterhin voraus, dass ich schnell die Einstellungen verändern, also flüssig zwischen Bewegung und Stillstand hin und her wechseln kann.

Das Prinzip von Verbinden und Lösen:
Dieses Prinzip ist ein Unterprinzip des obigen. Es beschreibt, dass Bewegungen eigentlich immer Verbindungen von Teilbewegungen sind und dass wir durch das Koppeln von bestimmten Teilbewegungen gezielte Bewegungen durchführen. Dabei ist es genau so wichtig, Bewegungen voneinander lösen zu können, wie es wichtig ist, Bewegungen verbinden zu können. In unserem Alltag nutzen wir tausendfach praktizierte Bewegungsmuster, welche automatisch abgerufen werden und keine kognitive Anstrengung benötigen. Hinter dir ruft dich jemand und du drehst dich um. Du wirst wahrscheinlich nicht darüber nachdenken, wie du dich umdrehst, sondern du tust es einfach. Du wirst wahrscheinlich ein Muster nutzen, welches du schon tausende Male genutzt hast und mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es meistens das gleiche oder eines von sehr wenigen Mustern sein. Wir machen also immer wieder die gleichen Bewegungen im Alltag. Wenn wir die Sache aber verlangsamen, merken wir, dass es noch andere Möglichkeiten gibt, sich umzudrehen und nach hinten zu schauen. Wir können etwa die Brust rotieren und die Augen in die Richtung bewegen, während die Halswirbelsäule still steht, wie es jemand machen würde, dem der Nacken eingefroren ist. Oder wir können uns nach vorne beugen und zwischen den Beinen hindurch nach hinten gucken. Es gibt unzählige Möglichkeiten, große und kleine Variationen, wie wir hinter uns schauen können. Das richtige Verbinden schafft effiziente Bewegung.Das Werfen ist ein gutes Beispiel dafür, was richtig abgestimmte Teilbewegungen erzeugen können: einen genauen und weiten Wurf. Wer nicht aus dem ganzen Körper agiert und die Teile aufeinander abstimmt, der wird nicht weit werfen können. Immer wenn wir neue Bewegungen lernen, dann erzeugen wir neue Verbindungen, neue Zusammenspiele. Wenn wir gut darin sind, Teilbewegungen voneinander zu lösen und neue Verbindungen zu erzeugen, können wir neue Bewegungen ohne große Anstrengung lernen. Genau deswegen ist es wichtig, klare Entscheidungen über die Bewegungsausführung im Training zu treffen, um mehr Bewegungsfreiheit zu gewinnen. Wir können dadurch neue Bewegungen leichter erlernen und wir haben mehr Repertoire an Bewegung. Das Treffen klarer Entscheidungen ist weiterhin wichtig, wenn es darum geht, Verletzungen zu vermeiden oder Muster, welche uns Schmerzen bereiten, zu verändern bzw. nicht mehr auszuführen.
Prinzip: Bewegung ist ein Zusammenspiel. Wer viele verschiedene Zusammenspiele erzeugen kann, wer klare Entscheidungen treffen kann, der gewinnt Bewegungsfreiheit.
Unter-Prinzip: Wenn das Zusammenspiel gut aufeinander abgestimmt ist, bewegen wir uns effizient.

Weiterführendes:

SROMP 1

Bewegungsvielfalt

Joseph Bartz
15.12.2020