Vordenkleistung

Über die Vordenkleistung, das Emotionale und das Rationale und den Sinn.

2017-06-28

Vordenkleistung - Episode 2 - Angriff der Vordenkleistung

2019-01-13

Wie beweglich muss ich sein?

Oder: Vordenkleistung - Episode 3 – Die Rache der Vordenkleistung

Mit digitalen Bildbearbeitungsprogrammen wie Photoshop kam ein Flächenbombardement an Trugbildern in die Welt. Die Lenkköpfe dieser Bomben waren vor allem auf Frauen gerichtet. Ziel war es, den Gedanken zu verwurzeln, dass man einfach so wie man ist, nicht gut aussieht. Man muss nachhelfen. Am Computer ist das einfach, aber in der Realität braucht man Produkte. Und dafür gibt es eine riesige Industrie, die diese herstellt. Es ist eine Industrie, die davon lebt, den Menschen das Gefühl zu geben, dass sie nachhelfen müssen, dass sie so wie sie sind, nicht gut genug sind.

Auch Männer sind natürlich zahlungswillige Kunden dieser Industrie. Durch dieses Kulturphänomen verlieren die Menschen nicht nur Geld. Sie opfern auch Lebenszeit damit, im Bad vor dem Spiegel zu stehen.

Dieses Phänomen ist allerdings recht einfach zu durchschauen. Wer Zeit mit echten Menschen verbracht hat, der weiß, wie echte Menschen eigentlich aussehen.

Zu einem anderen Phänomen, welches vielleicht etwas schwer zu durchschauen ist, komme ich nun: Das Internet ist voll von Leuten, die tolle Sachen können. Es ist auch voll von Leuten, die diese tollen Sachen in Tutorials erklären. Während bei jemandem, der einen zweifachen Rückwärtssalto aus dem Stand kann, den meisten noch klar ist, dass dies eine außergewöhnliche Fertigkeit ist, ist das bei anderen Sachen schon subtiler. Das merke ich immer wieder, wenn Leute mir sagen, dass sie dieses oder jenes noch nicht können oder eigentlich können sollen, oder in etwas eingeschränkt sind, bei Sachen, bei denen ich dann denke „eigentlich muss das niemand können“ oder „eigentlich ist alles gut bei dir“.

Im Internet werden Menschen mit besonderen Fähigkeiten herausgestellt. Vielleicht hat das mit den Algorithmen zu tun, wer weiß. Jedenfalls wird hier das Außergewöhnliche oft zum Gewöhnlichen gemacht. Das kann aber wie gesagt oft schwer zu erkennen sein. Das liegt auch daran, dass wir eben so wenig von Bewegung verstehen in dieser Welt. Ja, bestimmte Dinge sind durch Training definitiv für ein breites Spektrum der Bevölkerung möglich, aber wie nötig sind sie wirklich? Andere Dinge, die manche auf YouTube mit Leichtigkeit durchführen und die vielleicht auch von manchen Gemeinschaften als normal angesehen werden, sind für die breite Bevölkerung nur schwer oder gar nicht erreichbar. Deswegen: Ruhig bleiben. Alles ist gut.

Nur weil etwas im Internet normal ist, heißt nicht, dass es wirklich normal oder nötig ist.

Was muss ich denn wirklich können?

Um diese Frage zu beantworten, braucht es ein Ziel oder eine Richtung, um das Können auszurichten.

Etwas können zu müssen, „weil es normal ist“ ist ja kein bedeutungsvoller Grund. Genau so wenig ist es ein bedeutungsvoller Grund dafür, etwas können zu müssen, außergewöhnlich sein zu wollen.

Das ist flach.

Aber wenn der Leser das anders sieht, ist das okay für mich, das sind nur meine Gedanken. Die oben genannten sind meiner Meinung nach also keine guten Ziele.

Ein kraftvolles Ziel ist es, meines Empfindens nach zu fragen, was brauche ich, um Verantwortung in der Welt übernehmen zu können oder was brauche ich, um unnötiges Leid in mir und anderen zu vermeiden. Oder was brauch ich, damit ich mich um Andere und um mich selbst kümmern kann. Und zu guter Letzt ohne die ganze Schwere kann ich natürlich auch fragen: Worauf habe ich Lust, womit will ich meine Zeit verbringen, was inspiriert mich?

Also: in sich selbst reinhören, anstatt viel zu gucken, was andere machen. Manchmal vergisst man, dass eigentlich alles gut ist. Da sieht man jemanden mit einem Porsche fahren und denkt, man braucht ein neues Auto. Es gilt zu untersuchen, welche Dinge, die man denken, machen oder können zu müssen, wirklich wichtig für einen sind und wo man sich unnötig das Leben schwer macht, weil man denkt, man müsste anders sein. (Dann muss man auch nicht mehr so viel Zeit vor dem Spiegel verbringen).

Wenn es dir gut geht, geht es dir gut.

Man kann sich auch einfach hinsetzten und eine Runde nichts tun. Ist nur leider weder normal noch außergewöhnlich.

Joseph Bartz

01.03.2021