Über die Auswahl des Publikationsmediums

Nachtrag zu Über die Auswahl des Publikationsmediums

Die von uns erschaffenen Medien haben verschiedene Limitationen. Ursprünglich sind diese hauptsächlich technisch bedingt, in den letzten Jahren wurden die Limits aber vermehrt durch künstliche Beschränkungen geprägt. Die CD, Schallplatte, Videokassette etc. haben alle Limits in der Speicherkapazität. Im Vergleich zu denen wirken heutige Flashspeicher wie unendlich in ihrer Kapazität. Auf einem Bruchteil der Größe einer CD kann ich heute Tausende CDs speichern. Früher musste man vorsichtig sein, wenn man auf der Kamera den Auslöser drückte, nicht nur, weil das Entwickeln ein Akt war, sondern besonders auch, weil auf die Filme nicht so viele Fotos passten. Heute kann man, ohne die SD-Karte zu wechseln, 20.000 Fotos in Profi-Qualität schießen. Und man kann die Karte immer wieder verwenden.

Wenn ich publizieren will, habe ich heute Möglichkeiten, von denen man früher nur träumen konnte. Ich kann Buchstaben, bewegte und statische Bilder sowie Ton in die Welt bringen, ohne dass ich für die Publikationen spezielle Technik oder ungewöhnliche finanzielle Mittel benötige. Fast jeder, der diese Zeilen liest, hat eine Art von Tastatur, Mikrofon und Video-Kamera in seinem Besitz. Die Hürde ist enorm niedrig.

Interessanterweise haben viele Publikationsnetzwerke künstliche Beschränkungen. Twitter erinnert uns an die Zeit, als wir in unseren Handynachrichten auf 160 Zeichen begrenzt waren. Eine Beschränkung, die Nutzer kreativ im Erfinden von Abkürzungen werden ließ. 
Die Zeit der SMS ist vorbei. Ich denke, die meisten sind froh darüber. SMS war gut, solange es teuer war. 20 Cent pro 160 Zeichen hielt einen davon ab, unnötig viel zu schreiben.

Hohe Kosten waren auch immer eine Hürde, Müll zu produzieren. Wenn jedes Foto, das ich schieße, auch kostet, mache ich nicht 3.000 Fotos. Allerdings: Quantität erzeugt auch Qualität. Mit der Digitalfotografie kann ich viel mehr ausprobieren und testen. Ich kann also besser üben. 
 Mit dem Instant-Messenger wurde die SMS obsolet. Sie existiert weiterhin, wird aber kaum noch genutzt. 
 Twitter ist aber genau durch seine Beschränkung auf 140 bzw. 280 Zeichen so populär geworden. In der Praxis wird diese Beschränkung oft versucht zu umgehen, durch die Kommentar-Funktion oder Bilder vor Schrift. Am Anfang erlaubte Twitter nur Text. Inzwischen erlaubt es auch Bilder oder sehr kleine Videos.

Instagram ist eine ähnlich eingeschränkte Plattform. Zwar kann ich bis zu 2.200 Zeichen schreiben, allerdings muss jeder Post mindestens ein Bild oder Video haben. Als Instagram startete, konnte man nur ein einzelnes Bild posten. Später kam die Möglichkeit, Videos zu posten (am Anfang max. 10s lang) sowie mehrere Bilder in einen Post zu packen. Inzwischen können Videos in normalem Post bis zu einer Minute lang sein und zusätzlich gibt es IGTV als Unterplattform nur für Videos, die maximal 10 Min bzw. 60 Min sein können.

Instagram hat eine weitere Einschränkung: Es ist für Telefone, nicht für den Computer-Browser designt. Zwar kann man es inzwischen auch am Computer nutzen, aber nur eingeschränkt. Es macht sehr viel weniger Spaß. Aus irgendeinem Grund wollen die Instagram-Entscheider, dass man ihr Netzwerk am Smartphone benutzt.

Wie gesagt sind diese Einschränkungen aber anscheinend das Kapital dieser Netzwerke. Facebook etwa hat sehr viel mehr Möglichkeiten und Funktionen, wird aber inzwischen langsam und altbacken. Ist die eierlegende Wollmilchsau uninteressant? Wollen wir lieber die einzelnen Tiere?

Auch neuere Netzwerke wie TikTok setzen stark auf Eingeschränktheit.

Die Frage ist: Inwieweit verändern die Limitationen der Medien die Kultur? Die CD etwa ist auf 74 Min. beschränkt. Entsprechend sind Musik-Alben anhand dieser Limits konzeptioniert.

Das Publikationsmedium bestimmt das Produkt mit, nicht nur die Erzeugungstechnik. Ich benutze etwa Instagram ungern zum Publizieren, da ich tendenziell eher Texte schreibe, die länger als 2.200 Zeichen sind. Auch die Beschränkung auf 60s bei Videos passt meistens nicht für mich. Ich habe diese Beschränkung zwar auch schon als Übung genutzt und mich entsprechend daran angepasst. Ultimativ passt dieses Publikationsnetzwerk aber nicht für meine Art, Inhalte zu erzeugen. Allein schon, weil meine Texte meistens kein Bild brauchen und es mir unnötig vorkommt, ein Bild rauszusuchen, welches irgendwie mit dem Text zu tun hat. 
 Entsprechend ist meine eigene Website in Verbindung mit YouTube für mich die zumeist beste Art zu publizieren. Auf meine Website kann ich Text, Bild und Ton so einbinden, wie ich es möchte.

YouTube ist eine gute Möglichkeit, mit den riesigen Datenmengen, die meine über 1500 hochgeladenen Videos darstellen, umzugehen.

Ich will nicht, dass die Publikationsplattform mir vorschreibt, wie meine Erzeugnisse zu sein haben.

Joseph Bartz
01.03.2021